„Der kürzeste Weg zu sich selbst führt um die Welt herum.“

(H. Keyserling 1880 - 1946)

Wir alle sind doch immer auf der Suche – der beste Kaffee, die schönste Wohnung, der perfekte Partner und auch irgendwie auf der Suche nach uns selbst. Doch wie gelangen wir zu uns und gibt es dafür eine Abkürzung?

graue Theorie

Fangen wir erstmal mit der Theorie an. Die Psychologie hat rund um „das Selbst“ verschiedene Konzepte entwickelt wie Persönlichkeit, Selbstkonzept, Identität oder Schemata. Alle diese Konstrukte versuchen immer wieder zu beschreiben, wer wir sind und was das für unser Verhalten bedeutet. Eine verbreitete Definition von Allport (*) beschriebt Persönlichkeit so: „Persönlichkeit ist die dynamische Organisation derjenigen psychophysischen Systeme im Individuum, die dessen charakteristisches Verhaltensmuster, Denken und Fühlen determinieren.“ Die Persönlichkeit ist also wandelbar und nicht statisch. Außerdem hat sie Einfluss auf unser Denken, Fühlen und Handeln – und das macht uns einzigartig. Es ist das, was uns von unserem Gegenüber unterscheidet. Um herauszufinden was unsere Persönlichkeit ausmacht, müssen wir nicht nur uns, sondern auch die anderen zunächst wahrnehmen.

rote Farbe

Selbstwahrnehmung ist der Schlüssel zu unserem Ich. Dabei erkennen wir unsere äußere Hülle laut Rouge-Test (*) ab etwa 24 Monaten. Beim Rouge-Test wird Kindern ein roter Punkt auf die Stirn gemalt und anschließend beobachtet, ob sie den Punkt wegwischen, wenn sie sich im Spiegel sehen. Dies wird als Zeichen der Selbsterkennens und Selbstwahrnehmung gewertet. Mit dem Selbsterkennen beginnt dann der Prozess zur Ausbildung des Selbstkonzeptes. Kleinkinder müssen lernen, dass auch unsere inneren Zustände einzigartig sind, und dass ihr Gegenüber anders denkt und fühlt (Theory of Mind (*)).

Die Pubertät ist dann die wahrscheinlich intensivste und bewussteste Phase der Persönlichkeitsbildung (*). Wir fragen uns: Wer bin ich? Was macht mich aus? Was macht mich einzigartig? Außerdem suchen wir uns in dieser Phase sehr aktiv einen Vergleichsmaßstab außerhalb der Familie. Wir entscheiden uns, welcher Gruppe wir uns annähern und welche wir ablehnen. Wir entwickeln ein Konzept über uns selbst, welches im Erwachsenenalter weiter geformt wird.

bunte Welt

Und wie führt uns das alles einmal um die Welt? In ihrer Studie untersuchten Adam und Kollegen (*), wie sich das Leben im Ausland auf die Struktur unseres Selbstkonzeptes auswirkt. Ihre Ergebnisse zeigen, dass unser Selbstkonzept dadurch geschärft wird, dass wir im Ausland mit anderen Lebensstrategien und Einstellungen konfrontiert werden. Wenn also „Ich“ und „Du“ sich stärker unterscheiden, hinterfragen wir unsere Rolle. Denn unsere Wahrnehmung ist darauf ausgerichtet Unterschiede zu detektieren und davon finden wir im Ausland mehr. Doch diese Konfrontation mit dem „Anderen“ regt die Reflexion darüber an, was wirklich unser Selbst ist und was kulturelle Prägung. Dieser Prozess führt dazu, dass unser Selbstkonzept gestärkt wird. Unsere Wahrnehmung entdeckt quasi häufiger rote Farbe im Gesicht und wir fragen uns, ob wir diese lieber wegwischen oder doch behalten wollen. Weitere Forschungsergebnisse (*) zeigen, dass ein klares Selbstkonzept zu mehr Lebenszufriedenheit, weniger Stress und einer verbesserten berufliche Entscheidungsfindung führen kann.

Noch eine gute Nachricht: Die Stärkung des Selbst ist dabei von der Dauer des Aufenthaltes abhängig und nicht von der Vielzahl der bereisten Länder (*). Die Weltreise muss somit nicht zwangsläufig gebucht werden – es reicht ein Ort, dieser sollte jedoch ausgekostet werden.

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Dipl.-Psych. Benthe Untiedt