Top 3 Herausforderungen für Expats: Teil 3

Das Leben im Ausland kann sehr herausfordernd sein. In dieser Serie findest du die – aus meiner Sicht – Top 3 Stressoren für Expats und Wege, wie man damit umgehen kann: Teil 3 Kulturschock.

“Andere Länder, andere Sitten” eine Erkenntnis, die wahrscheinlich alle erlangen, die reisen – so einfach und doch so wahr. Nach einer längeren Abwesenheit, können allerdings auch die Sitten der eigenen Heimat zum Kulturschock werden. Dabei fängt alles so rosig an. Doch das Hin und Zurück kann einer Achterbahnfahrt gleichen – Bauchkribbeln in den Höhen und schwindelerregende Talfahrten.

Achterbahnfahrt

Dass Menschen während eines Auslandsaufenthaltes, verschiedene emotionale Phasen erleben, beschrieb Oberg (*) schon 1960. Der Beginn wird als Honeymoon-Phase bezeichnet. Der neue Lebensort ist aufregend, es gibt eine Menge zu entdecken und die neue Kultur ist faszinierend und inspirierend. Es werden einige – häufig oberflächliche – Beziehungen geknüpft. Auf den Gipfel des Aufstiegs ist der Ausblick wundervoll, es scheint alles möglich zu sein.

Doch dann kommt die Talfahrt, in der die erste Euphorie schwindet, da die Unterschiede in Sprache, Kultur und Werten besonders deutlich wahrgenommen werden. Was zunächst aufregend war wie z.B. die Gerüche, die neue Sprache oder der unverbindliche Smalltalk, ist nun anstrengend. Die Gedanken gehen immer wieder nach Hause. Es können Gefühle von Unzulänglichkeit und Einsamkeit führen. Dies bezeichnet Oberberg als Krise und kann in einem “Kulturschock” münden. In dieser Phase brechen einige ihren Aufenthalt ab und kehren nach Hause zurück, andere stürzen sich in den Job. Je nach Anpassungsfähigkeit und Resilienz kann es unterschiedlich lange dauern bis es langsam wieder bergauf geht. Die Zufriedenheit steigt langsam, da sich die Kenntnisse in der fremden Sprache und Kultur erhöhen. In der letzten Phase findet eine Anpassung statt und eine erfolgreiche Integration in die fremde Umgebung. Man empfindet kaum mehr Ängste und Zweifel.

Abbildung: Phasen des Kulturschocks in Anlehnung an Oberberg und Gullahorn & Gullahorn

Extrarunde

Und dann geht es, oft auf dem zweiten Gipfel, wieder nach Hause. Die Rückkehr kann eine weitere sensible und herausfordernde Anpassungsphase sein. Gullahorn & Gullahorn (*) ergänzten Oberbergs Modell durch diese. Die Vorfreude kann beflügeln und über den Abschiedsschmerz hinweg helfen und auch die Rückkehr ist meist positiv. Man verbringt Zeit mit Freunden und Familie und besucht seine Lieblingsorte. Aber dann kommt es in unterschiedlichem Ausmaß zum “reverse culture shock”(*), “Eigenkulturschock” oder “Rückkehrschock” (*).  Denn man selbst hat sich durch Anpassung an die Gastkultur, Eigenreflexion und die neuen Erfahrungen verändert – genauso wie die Menschen im Heimatland. Die Erwartungen und Erinnerung an die Heimat stimmen nicht mit der Realität überein. Dies führt zu Unzufriedenheit, da unerwartete Anstrengungen erforderlich sind, um im Heimatland wieder ein zufriedenes Leben führen zu können. Ein Gefühl zwischen Baum und Borke, man gehört weder zu der einen noch zu der anderen Seite.

Diese Achterbahnfahrt der Gefühle ist bedingt durch die Anpassungsprozesse, die wir leisten, um uns in Gruppen einzufügen. Dabei können die Höhen und Tiefen, sowie die Geschwindigkeit variieren, erleben wird es trotzdem jeder, der für eine längere Zeit im Ausland lebt und wieder zurückkehrt (Video *). Um die Fahrt gut zu überstehen, habe ich ein paar Sicherheitshinweise für dich:

Sicherheitshinweise

Für die Fahrt ins Ausland

  1. Bewusstsein: Der erste Schritt ist wohl, dass du dich auf eine rasante Fahrt einstellst und dir bewusst machst, welche Höhen und Tiefen dich erwarten.
  2. Vorbereitung: Viele Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern interkulturelle Kurse zur Vorbereitung auf Auslandsaufenthalte an. Wenn du eigenständig entscheidest ins Ausland zu gehen, solltest du dies ebenfalls in Betracht ziehen. Entweder kannst du gezielt Coaches aufsuchen oder dich selbst mit Sitten und Gebräuchen des Gastlandes vertraut machen.
  3. Routinen: Besonders in der Honeymoon-Phase ist es gut vorzusorgen und Routinen zu etablieren, die durch schwere Zeiten hinweghelfen. Am schönsten ist ein Mix aus alten Routinen aus der Heimat und neuen: der Wochenendeinkauf, Video-Yogakurse, das neue Lieblingscafe, ein Sportkurs oder der Samstags-Brunch. Wichtig ist dabei, dass einige Routinen auch andere Menschen einbeziehen.
  4. Kontakte: Einer der wichtigsten und schwierigsten Aufgaben ist es eine Balance zu finden, zwischen Heimatkontakten und neuen. Denn je besser du die Verbindung zu den Daheimgebliebenen hältst, desto einfacher ist es wahrscheinlich zurückzukommen. Doch um wirklich im neuen Land anzukommen, muss man etwas loslassen. Wenn die Highlights der Woche die skype-Termine mit Freunden und Familie sind, wird das erste Tal tief und lang - manchmal so lang, dass nur noch der Weg zurück bleibt.
  5. Notfallkoffer: Wenn das Tal erreicht ist, hat man schnell einen Tunnelblick, da Emotionen uns überfluten. Dann ist es hilfreich einen Notfallkoffer dabei zu haben.

Für die Heimfahrt

  1. Bewusstsein: Für die Rückreise gilt das gleiche. Bewusstsein ist der erste Schritt. Auf die erste Berg-und-Talfahrt im Ausland, folgt wahrscheinlich die zweite Zuhause. Du hast dich verändert und auch die Menschen und Orte Zuhause.
  2. Routinen: Neue und alte Routinen können dir den Einstieg erleichtern. Versuche nach vorne zu blicken und nicht an Altem festzuhalten.
  3. Notfallkoffer: Nutze deinen Notfallkoffer für emotionale Notfälle nach deiner Rückkehr.

Wenn die Fahrt beendet ist, verfallen viele dem Rausch und die nächste Achterbahnfahrt wird gebucht. Andere verlassen die Bahn mit einem flauen Gefühl im Magen und mit der Gewissheit, dass es nicht das Richtige für sie ist. Egal zu welcher Gruppe du gehörst, am Ende wirst du viel über dich und die Erdanziehung gelernt haben.

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Dipl.-Psych. Benthe Untiedt