Top 3 Herausforderungen für Expats: Teil 2

Das Arbeiten im Ausland kann sehr herausfordernd sein. In dieser Serie findest du die – aus meiner Sicht – Top 3 Stressoren für Expats und Wege, wie man damit umgehen kann: Teil 2 Einsamkeit.

Im zweiten Teil geht es um ein tief sitzendes Gefühl: Einsamkeit.
Wir sind biologisch darauf ausgerichtet mit anderen zu interagieren. Ergebnisse der positiven Psychologie zeigen, dass die glücklichsten Menschen vor allem sehr sozial leben (*). Denn, wenn wir von uns geliebten Personen umgeben sind, wird das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet und unser Belohnungssystem wird aktiviert (*). Dadurch sinkt unser Cortisolspiegel, welcher die Grundlage für unser Stresserleben ist – das hat uns über Jahrtausende stärker gemacht und unser Überleben gesichert. Einige Evolutionsforscher sehen in unserem Kooperationsverhalten den Grund für den evolutionären Erfolg der Menschheit (*). Wir kooperieren, wir tauschen uns aus, erreichen gemeinsam Ziele und fühlen uns dabei richtig gut.

Robinson Crusoe Effekt

Allerdings kann es im Ausland besonders schwierig sein Anschluss zu finden. Nach der ersten “Honeymoon-Phase”, in der das neue Leben aufregend und bereichernd ist, fühlen sich viele Expats und Auswanderer ähnlich wie Robinson Cruisoe: gestrandet und einsam. Die neuen Bekanntschaften sind noch nicht gewachsen und die unterschiedlichen Kulturen erschweren den Aufbau tieferer Kontakte. Dabei scheinen die Daheimgebliebenen nur die Trauminsel zu sehen – Zuhause scheint das alles so viel einfacher zu sein.

Darüber hinaus ist Einsamkeit für viele ein Tabu. Sie ist häufig mit Scham- und Schuldgefühlen besetzt. Da in unserer Social-Media Gesellschaft, in der Freundschaften und Lebensfreude demonstrativ zur Schau gestellt werden, Einsamkeitsgefühle nicht ins Bild passen. FOMO (*) kann unser Gefühl von Einsamkeit verstärken. Außerdem bringt die Überzeugung für das eigene Glück selbst verantwortlich zu sein, eine Schattenseite mit sich. Diese grundsätzlich fördernde Betrachtungsweise, kann dazu führen, dass wir uns für unsere Einsamkeit schuldig fühlen. Das Geständnis der Einsamkeit ist womöglich auch ein Zugeständnis der eigenen Hilflosigkeit und Schwäche (*).

Warten auf Freitag

Es gibt Phasen der Einsamkeit, in der du dir selbst helfen kannst. Je tiefer man jedoch im Strudel aus negativen Gefühlen und Rückzug gefangen bist, desto eher wird Hilfe von außen nötig.

Die unterschiedlichen Phasen beschreibt Wolf (*) so:
Die erst Phase, die momentane und vorübergehende Einsamkeit, ist nur von kurzer Dauer und eine Reaktion auf äußere Umstände. Sie motiviert zum Handeln.
Wenn in der zweiten Phase ein langsamer Rückzug stattfindet, beginnt sich die Einsamkeit zu manifestieren.
In der dritten Phase kommt es zu einer chronischen Einsamkeit , in der Resignation und Verzweiflung so stark sind, dass die Einsamkeit aus eigener Kraft nicht bewältigt werden kann.

Selbsttest: Wege aus der EInsamkeit

Abbildung: Wege aus der Einsamkeit

Grundsätzlich hilft es nicht, sich in der Hütte zu verstecken und auf Freitag zu warten. Aber diese Erkenntnis allein, reicht nicht, um den Kreislauf zu durchbrechen.

Floß bauen

Das rettende Floß aus der Einsamkeit sollte aus zwei Materialien bestehen:
Einerseits kann es hilfreich sein die Zeit mit dir alleine positiv zu gestalten und dir selbst etwas Gutes zu tun. Versuche dich selbst wie deine beste Freundin oder deinen besten Freund zu behandeln. Koche dir etwas Schönes, gehe ins Restaurant, mache lange Spaziergänge oder unternehme etwas – auch alleine. Nimm dir die Zeit, zu erforschen, was dir wirklich gut tut. Denn oft versuchen wir schlechte Gefühle mit Süßigkeiten zu überdecken oder uns Glücksgefühle durch Internetshopping zu „erkaufen“. Kurzfristig erzielen beide Strategien den gewünschten Effekt: Die Dopaminausschüttung sorgt dafür, dass wir uns glücklicher fühlen. Langfristig überwiegen jedoch eher altbekannte Gefühle – Schuld und Scham.

Der zweite Baustein sind natürlich die Kontakte vor Ort. Viele Expats gehen in der Annahme ins Ausland, dass sie soziale Kontakte über die Arbeit aufbauen. Enttäuschung entsteht, wenn sich aus Arbeitsbeziehungen doch keine privaten Beziehungen entwickeln.
Am einfachsten lassen sich Freundschaften über Gemeinsamkeiten und geteilte Leidenschaften aufbauen z.B. Hobbys und gleiche Erfahrungen. Freundschaften außerhalb der Arbeit zu finden, hat außerdem den Vorteil, dass es einfacher ist darüber zu sprechen, wenn es einem mal nicht gut geht.  

Navigationshilfe

Es gibt verschiedene hilfreiche online Portale, um sich mit anderen Menschen zu verbinden: Facebook bietet Gruppen an, wie “Germans in…” oder “Expats in…” hier kann die gemeinsame Erfahrung als Expat in einer fremden Stadt zu Leben eine Grundlage für das Kennenlernen sein. Über Meetup (*) kann man sich einfach zum Tanzen, Sport und andere Unternehmungen verabreden. Außerdem haben sich rund um das Thema Frauen und Karriere interessante, auch internationale, Communities entwickelt, wie Female Future Force (*) oder girl gone international (*). Soziales Engagement oder Umweltaktivismus können ebenfalls eine geteilte Leidenschaft sein, über die man Menschen treffen kann.

Oft bleibt vor Ort wenig Zeit, um Kontakte zu suchen, da der Job viel Stress verursacht (*). Deshalb kann es sinnvoll sein, über das Internet schon vor der Abreise Kontakte aufzubauen. Das erleichtert dann auch den Start am neuen Lebensort.

Wenn du deine eigene Seekarte gut vorbereitest und auch sozial-emotionale Routen bedenkst, findest du bestimmt den Weg zu deiner Trauminsel. Solltest du dich trotzdem an einen weißen Fleck verirren, hilft es einen Notfallkoffer dabei zu haben.

~

Dipl.-Psych. Benthe Untiedt